Neue Galerie der Stadt Linz. Wolfgang Gurlitt-Museum Linz
Sehr geehrter Herr!
Betreffs: Oel-Gemälde von EGON SCHIELE, Portrait von TRUDE ENGEL
Ich schreibe Ihnen als 93 jähriger Bruder meiner noch lebenden - Schwester TRUDE ENGEL, welche von EGON SCHIELE in unserem Heim in Wien portraitiert wurde. Ich fand vor einigen Tagen in einer PORTFOLIO COLLECTION eine farbige Abbildung des Portraits meiner Schwester TRUDE. Ich erkannte meine Schwester sogleich, wegen ihrer Augen, obwohl ich das Original des Bildes niemalsgesehen habe. Das Bild hat eine originelle Geschichte.
Die 2 verschiedenen Daten des Gemäldes, einmal 1911 auf Seite 9 und 1913 auf Seite 113, duften beide unrichtig sein. In einem erlauternden Text, wird sie als, joung woman bezeichnet. 1911 war Trude erst 12 Jahre alt und daher noch kein junges Weib. Meine Schwester hatte niemals schwarzes Haar. Es war kastanienbraun. Da das Bild, abgesehen vom künstlerischen Standpunkt, keinerlei sonstige Ähnlichkeit mit meiner hübschen Schwester hatte, ergriff sie, in einem Ausbruch des Zorns, ein Messer und vollführte einen langen Schnitt durch die Leinwand des Bildes. Dieser Schnitt wurde nachher repariert. Soviel mir bekannt ist, wurde es nachher zum ersten Mal im HAGENBUND in Wien ausgestellt. Was das richtige Datum anlangt, nehme ich an, dass dasselbe im Jahr 1915 gemalt wurde, zu einer Zeit als ich als 17 jähriger Soldat Militärdienst leistete und daher das Bild niemals zu sehen bekam. Mein Vater, Dr. Hermann Engel, war Schiele′s Zahnarzt. Schiele konnt keinerlei Honorar bezahlen und mein Vater akzeptierte an dessen Stelle 6 Oelgemilde von ihm. Mein Vater hatte kein Verständnis fur seine Werke und wollte sie nicht in seinem Hause aufbewahren. Er verschenkte alle während des Weltkrieg.
Nun zu meinem Anliegen. Da das Bild in Ihrer Gallerie hängt, nehme ich an, dass gute Abbildungen desselben im Handel sind. Ich wäre sehr daran interessiert eine solche zu erwerben. Würden Sie die Güte haben, mir davon Mitteilung zu machen.
Dr. Fritz Engel 25.8.1991
Das Gemälde der TRUDE ENGEL und der original Brief sind zu finden im LENTOS, Linz.